„Geld haben ist keine Qualität an sich“

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Herr Strauss, macht Geld glücklich?
Ich würde sagen: nein. Klar, wir brauchen eine gewisse Grundausstattung, aber die ist überraschend niedrig. Genug zu essen, ein Dach über dem Kopf – die Grundbedürfnisse müssen gedeckt sein. Alles, was darüber hinaus geht, scheint für das Glück nicht mehr so wichtig.

Da deckt sich Ihre Einschätzung mit einer Studie des amerikanischen Nobelpreisträgers Daniel Kahnemann aus dem Jahr 2012, in der er ermittelt hat, dass die Menschen bis zu einem Einkommen von 75.000 Dollar im Jahr mit mehr Geld glücklicher werden, darüber nicht mehr.
Ich kann jedenfalls sagen, dass ich in den glücklichsten Zeiten in meinem Leben ganz wenig Geld hatte. Aber das, was ich mir leisten konnte, habe ich mir ganz bewusst geleistet. Ich bin sehr achtsam mit meinem Geld umgegangen.

Achtsamkeit macht erwiesenermaßen glücklich.
Wenn man einfach jederzeit den Geldbeutel aufmachen kann, schätzt man es nicht mehr so sehr.

Die Glückswissenschaft spricht hier von „hedonistischer Adaption“ – wenn etwas, zunächst sehr positiv Erlebtes, selbstverständlich wird, trägt es nicht mehr sehr zum Glücksgefühl bei.
Was ich allerdings beobachte, ist, dass umgekehrt, der Verlust von Geld unglücklich machen kann. Menschen, die einmal viel Geld hatten und dann ihren Lebensstandard stark senken müssen, leiden oft sehr. Nicht nur, weil sie lieb gewonnene Gewohnheiten wie Restaurantbesuche aufgeben müssen, sondern weil oft auch Freundschaften in die Brüche gehen, wenn einer nicht mehr mithalten kann. Auch wenn Geld nicht glücklich macht – ohne Geld wird man unserer Gesellschaft definitiv nicht glücklich.

Warum glauben Sie, gibt es so viele Fehleinschätzungen zum Thema Geld? Warum streben so Viele so hartnäckig nach mehr?
Das hat wohl auch damit zu tun, dass Geld für vieles andere stehen kann. Für Erfolg im Beruf beispielsweise, der ja durchaus glücklich machen kann. Wenn ich etwas sehr gut mache, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich besser bezahlt werde.

„Über Geld spricht man nicht“ heißt es in Deutschland. Ist Geld ein Tabu-Thema?
Ja, eindeutig. Selbst, wenn Menschen zu mir kommen, um sich zum Thema Finanzen beraten zu lassen, sind sie oft sehr zögerlich. Das scheint mir manchmal ein wenig so, als würde man zum Arzt gehen und dann lieber nicht über seinen Gesundheitszustand Auskunft geben. Mir hat mal jemand gesagt: „Wenn ich mit dir über mein Vermögen spreche, müsste ich dich danach umbringen“. Das war zwar ein Spaß, macht die Haltung aber ganz gut deutlich.

Wer etwas gut macht, verdient damit viel Geld – ganz so eindeutig ist der Zusammenhang ja nicht. Es scheint Menschen zu geben, denen das Geldverdienen leichter fällt als anderen. Gibt es Menschen, die Geld anziehen?
Naja, ich weiß nicht, wir müssen wahrscheinlich unterscheiden. In der Welt der Angestellten, ist es relativ fix, ich kann die Hierarchieleiter emporsteigen, das hat auch mit emotionaler Intelligenz und politischem Gespür zu tun. In der Selbstständigkeit ist es ein bisschen anders. Wer da das Geldverdienen stark in den Fokus stellt, was manchmal mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit einhergeht, wird wohl mehr verdienen.

Das ist eine klare rationale Erklärung. Wenn man zum Thema Geldverdienen recherchiert, stößt man allerdings auch schnell auf allerlei esoterische Ansätze, in denen es darum geht, Energieflüsse zu lenken, Geld durch Meditation anzuziehen, eine bestimmte Geisteshaltung zu erlernen …
Geldverdienen hat natürlich mit einem bestimmten Mindset zu tun.

Können Sie das genauer erklären?
Der Fokus auf der Ertragsoptimierung ist bei manchen einfach ausgeprägter als bei anderen. Ich kann zum Beispiel entscheiden, keinen Rat umsonst zu geben.

Gilt das für Sie?
Ich bin eher jemand, der gerne mal unterstützt und sagt, das wird sich irgendwann auszahlen. Manchmal tut es das, manchmal nicht.

Was interessiert Sie persönlich am Geld?
Ich bin nach meinem Jurastudium zunächst einfach deshalb in der Finanzbranche gelandet, weil ich im Ausland arbeiten wollte. Ich finde das Thema Geld aber auch sehr spannend, weil Geld eine intermediäre Funktion hat, es verbindet Branchen, es verbindet eigentlich alle Bereiche des Lebens. Geld hat eine Transaktionsermöglichungseigenschaft.

Tolles Wort!
Ja, das geht nur auf Deutsch.

Transaktionen ermöglichen – ist es das, was Geld für Sie bedeutet?
Ich sage mal, was Geld für mich nicht bedeutet: Es ist kein Fetisch. Geld zu haben, ist keine Qualität an sich. Der Mensch sollte nicht dem Geld dienen, sondern das Geld dem Menschen. Geld zu haben ist nur dann interessant, wenn ich mir damit etwas ermögliche oder anderen etwas ermögliche, noch besser.

Im Sinne des Glücksgewinns ist das tatsächlich noch besser. Auch dazu gibt es Forschungen.
Geld anzuhäufen als Selbstzweck – das hat sich mir nie erschlossen.

Es gibt aber ja Menschen, die das anstreben. Der Umgang der Menschen mit Geld ist sehr unterschiedlich und sicherlich nicht immer rational.
Ja, das hat viel mit dem jeweiligen Temperament zu tun. Manche gehen sehr entspannt mit ihrem Vermögen um, sie sind froh, es zu haben, machen sich aber nicht jeden Tag Gedanken darüber. Andere haben einen eher sorgenvollen Charakter, da steht dann oft Verlustangst im Vordergrund.

Sie lernen in Ihrem Beruf also Menschen ganz gut kennen.
Ja, das ist es, was ich an meinem Beruf am meisten mag. Ich habe mit Menschen an einer relativ sensiblen Stelle ihres Lebens zu tun, oft in Krisenzeiten. Da tun sich Gespräche auf, die weit über das hinausgehen, was man sich unter Finanzberatung vorstellt.

Ist Geld ist immer neutral? Oder gibt es so etwas wie „böses Geld“?
Es gibt kriminelles Geld, das etwa aus Drogen- oder Menschenhandel stammt. Und es sind böse Menschen, die dieses Geld besitzen. Das Geld selbst ist natürlich nicht böse.

Dem Geld selbst haften also keine Eigenschaften an?
Wenn ein krimineller Mensch, um sein Gewissen zu erleichtern, größere Summe für einen guten Zweck spendet, ist das Geld ja nicht mehr „böse“. Man könnte aber darüber philosophieren, ob das Wissen über die Herkunft des Geldes es überhaupt zulässt, damit Gutes zu tun.

Es wird deutlich, dass die Bedeutung von Geld weit über das individuelle Leben hinausgeht. Aktuell hat man den Eindruck, dass das Geld immer ungerechter verteilt ist.
Gefühlt würde ich bestätigen, dass auch in unserer Gesellschaft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Das gesagt, kenne ich intelligente Leute, die sich akademisch mit Volkswirtschaft beschäftigen, die das bestreiten würden.

Was können wir tun?
Dass dem der Kapitalismus gewisse Grenzen gesetzt werden müssen, ist in Deutschland völlig unbestritten. Die Frage, wie eng diese Grenzen sein sollen, ist eine Frage der politischen Positionierung. Sollen wir limitieren, wie viel Menschen verdienen können? Müssen Vermögen stärker abgeschöpft werden?

Müssen Sie?
In Deutschland sind Menschen, die große Vermögen haben, meistens Unternehmer, klassischer deutscher Mittelstand. Wenn die Firma oder  Firmenanteile vererbt werden, wo sollen die denn hin, wenn nicht an die Familie? An den Staat? Bitte nicht, das würde unserer Wirtschaftskraft komplett den Garaus machen.

Was macht Sie persönlich glücklich?
Qualitätszeit mit meiner Frau und meinen Kindern und sehr lange – gerne mehrtägige –  Wanderungen mit meinem Hund.

http://www.finanzplanung-hg.de

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