„Das Wesentliche lernt man durch Erziehung: die Einstellung zum Leben“

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Portrait Kerstin Helena Taubenheim

Glückspädagogik

Frau Taubenheim, Sie beschäftigen sich mit Glückspädagogik, wie definieren Sie Glück?
Jede positive Regung im Körper und jeder positive Gedanke. Denn positive Gedanken führen zu einer Ausschüttung von Glückshormonen.

Die meisten von uns stellen sich Glück eher als etwas vor, das uns zufällig wiederfährt, nicht als etwas, das wir beeinflussen können.
Diese Vorstellung von Glück entspricht dem, was man in der Glücksforschung als „Zufallsglück“ bezeichnet. Aber selbst das können wir beeinflussen. Wenn wir mit einer zufälligen Begegnung offen und spontan umgehen, werden wir sie anders erleben als wenn wir verschlossen und gestresst sind.

Welche Arten von Glück gibt es denn noch?
Es gibt noch das „Wohlfühlglück“, das sich in Momenten des Wohlgefühls und des Genusses einstellt, bei einer guten Tasse Kaffee zum Beispiel, das ist das gute Gefühl hier und jetzt. Und dann das sogenannte „Glück der Fülle“, von dem schon Aristoteles gesprochen hat. Hierbei geht es darum, die ganze Palette der Gefühle zu erleben und auszuschöpfen, auch negative.

Inwiefern können negative zum Glück beitragen?
Die Vorstellung dahinter ist, dass, je mehr wir uns erlauben, alles zu erleben, desto mehr pendeln wir uns in der Mitte ein und entwickeln eine heitere Gelassenheit. Man hat dann dieses Gefühl: Was soll mir schon passieren?

Wie genau trainiert man Glück?
Der erste und wichtigste Schritt ist, sich seine Gedanken bewusst zu machen. Egal, was Sie erleben, was für Handlungsmuster sie haben, Sie haben Gedanken dazu. Und wenn die negativ sind, ist die Stimmung schlecht. Leider sind wir entwicklungsgeschichtlich programmiert, uns auf Negatives zu fokussieren, um mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Negative Gedanken haben also mehr Gewicht als positive. Deshalb braucht man, um neurologisch gesund zu sein, mehr positive Gedanken als negative.

Und wie bewerkstelligt man das?
Wenn einem auffällt: dieser Gedanke ist ja negativ – das überhaupt zu merken ist übrigens schon ein Fortschritt – sofort ummünzen in einen positiven. Man setzt sich ganz bewusst ein Stop-Signal: diesen Gedanken will ich nicht haben!

Hat ihn aber doch?
Erst einmal ja, man muss das trainieren – so, wie man die negativen Denkmuster ja auch über lange Zeit trainiert hat. Das braucht Zeit. Gut ist es, mit Affirmationen zu arbeiten. Sich einen positiven Satz zu suchen, den man sich hundertmal am Tag sagt.

Und irgendwann glaubt man es?
Egal, was man von Affirmationen halten mag: Zumindest denkt man in dem Moment, in dem man sie sich innerlich vorsagt, nicht das Negative und das hilft schon.

Aber wie kommt es zu einer Veränderung der Gefühlslage?
Die kommt automatisch, weil weniger negative Gedanken, weniger negative Hormonausschüttung bedeutet.

Ist das nicht sehr schwierig?
Was sehr dabei hilft, ist Meditation. Ich empfehle jedem, mit Meditation anzufangen. Allein mit tiefem ruhigem Atem kann man sich relativ schnell in einen glücklichen Zustand versetzen.

 Braucht man da eine bestimmte Technik?
Das ist egal. Zur Ruhe kommen, bei sich sein ist wichtig. Ob man dabei im Lotossitz sitzt oder in der Badewanne liegt, spielt keine Rolle.

Was gehört noch zum Glückstraining?
Ziele. Man muss sich bewusst machen, was einem wirklich wichtig ist im Leben, was man erreichen will.

Inwiefern ist das wichtig?
Wenn ich ein Ziel habe, kann ich auch Zufälle in meinem Sinne nutzen. Ich empfinde mein Leben als sinnvoller, weil ich etwas verwirklichen möchte. Ohne Ziel ist man leicht orientierungslos.
Dankbarkeit wird in der Glückswissenschaft als wichtigster Schlüssel angesehen. Schreiben Sie sich dreimal am Tag auf: Wofür bin ich heute dankbar? Das funktioniert.

Das klingt alles recht anstrengend. Wenn man glückliche Menschen erlebt, hat man nicht das Gefühl, dass die sich bemühen. Die sind einfach so. Ist das glückliche Temperament nicht einfach angeboren?
Die bekannte amerikanische Glücksforscherin Sonja Lyubomirsky sagt: Zu 50 Prozent liegt das Glück auf unseren Genen. Ich sehe das anders. Ich bin Erziehungswissenschaftlerin und glaube, dass die Umwelt uns viel mehr prägt als wir uns das vorstellen können. Durch neueste Forschungen wissen wir ja inzwischen, dass auch unsere Gene von Umweltfaktoren beeinflusst werden. Das Wesentliche lernt man durch Erziehung: die Einstellung zum Leben.

Deshalb setzen Sie sich dafür ein, die Kindererziehung zu reformieren.
Da anzufangen ist mein wichtigstes Anliegen. Wir brauchen dringend mehr Positivität in der Erziehung. Ohne uns dessen bewusst zu sein, behandeln wir unsere Kinder genau so, wie wir behandelt wurden, das ist ein totaler Automatismus. In dieser Hinsicht sind wir immer noch Kriegsgeneration.

Sie sind dabei, eine Kita zu gründen, deren Konzept auf den Erkenntnissen der Glückswissenschaft basiert. Was wird bei Ihnen anders laufen?
Wir brauchen glückliche Erzieher und das heißt, einen anderen Personalschlüssel. Wenn die Erzieher durch Überlastung gestresst sind, geben sie den Stress an die Kinder weiter. Wir fragen die Erzieher: Was habt Ihr für Träume und Leidenschaften, was möchtet Ihr einbringen? Man kann ja total viel verwirklichen.

Und gibt es für die Kinder ein bestimmtes Programm?
Der enge Kontakt zur Natur und das Anregen der Sinne sind wichtig. Kindgerechte Meditationen wie Traumreisen und die Ausrichtung auf positive Dinge, indem zum Beispiel am Ende des Tages alle im Kreis sitzen und erzählen, was heute schön für sie war.

Das heißt, es geht darum, den Kindern die Tools zum Glücklichsein zu vermitteln?
Genau. Dadurch dass sie in diesem Alter so viel aufsaugen, brauchen sie, wenn sie älter sind, nicht nach dem Glück suchen, sondern haben es als Ressource mitbekommen.

Und was können Eltern tun? Insbesondere wenn sie vielleicht gerade eher nicht so glücklich sind?
Sich wenigstens eine Stunde am Tag mit dem Kind wirklich intensiv beschäftigen. Mit ihm spielen, Pferdchen werden, auf dem das Kind reiten darf, so etwas. Sich ruhig auch mal zum Obst machen. Es ist so wichtig, die Kinder zum Lachen zu bringen!

Im Königreich Buthan gibt es einen Glücksminister, brauchen wir das in Deutschland auch?
Ich finde ja. Es wäre ein gutes Zeichen von der Politik den Menschen zu zeigen: Wir wollen, dass es Euch gut geht.

Warum ist es besser für eine Gesellschaft, wenn Menschen glücklicher sind?
Wenn Menschen glücklicher sind, sind sie hilfsbereiter, sie sind friedfertiger und versöhnlicher. Menschen, die glücklicher sind, sind gesünder und entspannter, sie können Krisen besser aushalten und sie gehen anders mit ihren Kindern um. Es ist wirklich wichtig, dass wir der nachfolgenden Generation mehr Glück mit auf den Weg geben.

Die Pädagogin Kerstin Helena Taubenheim gibt Vorträge und Seminare zum Thema Glück für Einzelpersonen und Unternehmen. Mit ihrer Firma Grün und Glücklich ist sie dabei, die Kita Sonnenglück zu gründen, deren Konzept auf den Erkenntnissen der Glückswissenschaft basiert.

http://www.gruenundgluecklich.de

 

 

 

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