„Positives Denken reicht nicht. Das Herz muss beteiligt sein.“

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Schwarz-weiß Portrait Ursula Cyriax

Künstlerin und Glückstrainerin Ursula Cyriax über Forschung und Glücksunterricht.

Nach zwei Stunden mit Ursula Cyriax schwirrt einem ein wenig der Kopf. Befragt nach ihrer Arbeit als Glückstrainerin, wie sie dazu kam und was sie mit ihrer Arbeit als Künstlerin und Designerin zu tun hat, sprudelt es nur so aus ihr heraus. Die schöne Frau mit den langen roten Haaren sitzt am Esstisch ihrer großen Schöneberger Altbauwohnung, die ein wenig anmutet wie ein Museum für Besonderes und Skurriles – angefüllt mit eigenen Werken und denen befreundeter Künstler, alten Fotos, ausgestopften Tieren, bunten Glasvasen und einer weißen E-Gitarre, die lässig an der Wand lehnt. Ausladend gestikulierend beginnt Ursula einen Satz mit einem Thema, hat einen plötzlichen Geistesblitz, schiebt lachend eine Anekdote ein, um schließlich bei einem ganz anderen Thema zu landen. Aus dem, was die 62-jährige so erlebt hat, machen andere Menschen drei Leben.
In den 70er-Jahren kam sie nach Berlin, versuchte Freie Kunst an der Hochschule der Künste zu studieren und ließ es wieder sein, weil sie es langweilig und enttäuschend fand. Aufregender fand sie es auf der Ranch der Künstlergruppe Theater of all Possibilities in New Mexiko, wo sie, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen Teppiche webte und mit Pferd und Pistole eine Türkismiene bewachte. Sie versuchte es noch einmal mit Studieren, diesmal in Hamburg, wo es sie aber auch nicht lange hielt. Lieber zog sie nach New York, um mit dem Squat Theater irritierende Performances zu veranstalten und in einem Zelt auf dem Dach zu wohnen, direkt neben dem legendären Chelsea Hotel.
Zurück in Deutschland stattete sie Filme aus, wurde Mutter einer Tochter und sesshaft in Berlin. 1998 gründete sie gemeinsam mit Johanna Michel das Atelier m.c, Werkstatt, Seminarraum und Ausstellungsort für Kunst, Grafik-, Web- und Modedesign.
„Meine Eltern waren zunächst nicht glücklich mit meinem Lebensweg. Sie haben immer gemahnt: wenn Du doch nur mal was Vernünftiges machen würdest“, sagt Ursula und lacht. „Aber für mich ist die Rechnung aufgegangen, ich lebe genauso, wie ich mir das mal erträumt habe, frei und selbsbestimmt.“

Du hast jahrelang als Künstlerin und Designerin gearbeitet, wie bist Du zur Glückstrainerin geworden?
Der Auslöser war eine Fernsehsendung über das Fritz-Schubert-Institut, das Lehrer für das Schulfach Glück ausbildet. Das hat mich begeistert und daher habe ich mich für den Kurs angemeldet. Aber der Boden war schon lange bereitet. Meine künstlerische Arbeit drehte sich unter anderem auch immer um Selbsterfahrung und Selbstwahrnehmung. Ich war auch immer Saint-Exupery-mäßig unterwegs: Man sieht nur mit dem Herzen gut … Mir war klar, dass positives Denken nicht reicht, um glücklich zu werden. Das Herz muss beteiligt sein.

Das heißt, Du wusstest vieles schon bevor du angefangen hast, Dich theoretisch mit Glückstraining zu beschäftigen?
Ich hatte vieles schon selbst erfahren. Ich hatte mich mit Yoga und Meditation beschäftigt und mit einer Psychoanalytikerin gearbeitet. Ich nenne das, was ich gemacht habe Lebenskunstweiterbildung.

Was hast Du in der Ausbildung des Fritz-Schubert-Instituts gelernt?
Dass es nicht nur um gefühltes Wissen oder um Glauben geht, sondern dass die Grundlagen des Glücks wissenschaftlich erforscht sind. Wir alle haben die Fähigkeit, glücklich zu sein. Wir können das üben. Und ich habe konkrete Methoden gelernt, die ich anwenden und vermitteln kann.

Gab es etwas, das dir neu war?
Was mich wirklich überrascht hat, ist, wie gering der Einfluss äußerer Umstände auf unser Glück ist. Die machen nur etwa zehn Prozent aus. Im Kapitalismus bekommen wir ja ständig erzählt, dass Klamotten, Reisen, die Villa mit Pool etc. uns glücklich machen.

Was hat dich noch überrascht?
Ich habe zum ersten Mal so richtig über das Wort „Glück“ nachgedacht. Wir haben im Deutschen ja nur ein Wort für „Glück haben“ und „Glücklich sein“. Es ist eigentlich ein Teekesselchen. Und wie bei anderen Teekesselchen wie „Schloss“ oder „Tau“ hat das eine mit dem anderen wenig zu tun.

Wir bräuchten also eigentlich neue Worte.
Ja, genau. Im Sanskrit beispielsweise gibt es 18 verschiedene Worte für Glück.

Erzähl mal konkret von Deiner Arbeit, Du hast gerade zwei Tage in einer 10. Klasse in einer Schule in Zehlendorf unterrichtet.
Ja, ich wurde gerufen, weil es in dieser Klasse massive Probleme gab, es wurde gemobbt, geklaut, manche trauten sich nicht mehr, überhaupt noch etwas zu sagen. Der Lehrer war echt am Ende.

Du warst dort zwei Tage, hat das etwas gebracht?
Ja, es war wie zwei Tage eine hässliche Rumpelwohnung aufräumen. Ich konnte die in eine lichte, schöne verwandeln.

Was hast du mit ihnen gemacht?
Wir sind vom Klauen ausgegangen und dass das etwas mit Mangel zu tun hat.
Ich fange immer mit ein bisschen Theorie an, Schüler sind ja an Wissensvermittlung gewohnt, man muss sie abholen. Das wichtigste ist, den Schülern klar zu machen, dass sie es in der Hand haben, dass sie ihr Glück beeinflussen können.

 Das Verständnis der Selbstwirksamkeit?
Genau. Jeder weiß, dass er einen Eimer Farbe kaufen kann und sein Zimmer neu gestalten, aber dass das auch innen funktioniert, dass man Gefühle produziert durch innere Einstellung und Verhaltensweisen, das ist den meisten nicht klar. Ich lasse die Schüler das in verschiedenen Übungen konkret erfahren.

Und da machen die mit?
So ein Haufen Pubertierender, die vor allem cool sein wollen, ist natürlich auch für mich eine Herausforderung. Aber ich sehe das sportlich. Ich kann auch Rampensau sein und habe zudem kein Problem damit, die Hosen runter zu lassen.

Kannst Du ein Beispiel für eine Übung geben?
Was sehr wirkungsvoll ist, ist die „Honigdusche“. Da sitzt reihum ein Schüler vor der Klasse und jeder muss etwas Positives über ihn sagen. Die Schüler waren erstaunt, dass das nicht nur angenehm ist für denjenigen, der vorne sitzt, sondern dass sie sich tatsächlich selbst auch besser fühlen, wenn sie etwas Schönes zu einem anderen sagen.

Du unterrichtest selbst und bildest Lehrer aus, an wen richtet sich die Ausbildung?
Es kommen hauptsächlich Menschen, bei denen es richtig brennt – Lehrer und Erzieher. Unsere veränderte Gesellschaft bringt ja große Verunsicherungen mit sich, es gibt nur noch wenig intakte Familien, da sind die Lehrer sehr gefordert. Aber auch Heilpraktiker, Yogalehrer oder einfach Leute, die mehr darüber lernen wollen, wie man glücklich wird.

Gibt es Glücksübungen, die du selbst regelmäßig machst?
Ja, viele. Zum Beispiel die Einstellungsänderung. Obwohl ich ein positiver und konstruktiver Mensch bin, passiert es mir natürlich auch, dass ich es eilig habe, vor mir einer entlang schleicht und ich denke: „Karl-Heinz, kannst Du vielleicht mal ein bisschen schneller fahren …“ Aber bevor ich schlechte Laune kriege, stelle ich mir vor, warum er so langsam fahren muss. Vielleicht hat er ja gerade die Nachricht bekommen, dass seine Frau gestorben ist oder er transportiert eine Hochzeitstorte auf dem Rücksitz.
Und Dankbarkeit übe ich auch regelmäßig. Das Schicksal war sehr milde und gnädig mit mir, dafür bin ich sehr dankbar.

http://www.atelier-mc.de

 

 

 

 

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