Winterschwimmen
Es war einer der heißesten Tage im an heißen Tagen reichen vergangenen Sommer als ich Gelegenheit hatte, mit Jessica Lee über das Schwimmen im Eis zu unterhalten.
http://www.bettinahomann.de/15-sekunden-schmerz-dann-kommt-das-glueck/
Die kanadische Autorin schreibt in ihrem Buch „Mein Jahr im Wasser“ darüber, wie sie ihre Wahlheimat Berlin schwimmend erkundet hat. Besonders gern schwimmt sie im Winter, wenn sie die Seen für sich alleine hat. „Es tut 15 Sekunden weh, dann kommt die Glückseligkeit“, erklärte sie mir. Ich hörte ihr fasziniert zu. Das was sie da beschrieb, schien mir unvorstellbar, wo ich doch schon Gesichtwaschen furchtbar finde, wenn es kein warmes Wasser gibt. Merkwürdigerweise begann es aber nach dem Gespräch und nach der Lektüre des Buches in mir zu arbeiten. Sollte ich es vielleicht doch ausprobieren?
Am ersten kühlen Tag im September fand ich mich schon heldenhaft, als ich in der Krummen Lanke schwimmen ging. Im Oktober tat es bereits ein bisschen weh. Aber da war ich bereits angefixt. Im November schwamm ich bei Mödlich in der Elbe. Das trug mir schon bewundernde Blicke (einerseits) und Kopfschütteln (andererseits) ein. Aber ich fühlte mich toll. Ob das nur daran lag, dass ich mich überwunden und etwas getan habe, dass mir kurze Zeit vorher nur unmöglich erschien oder ob das kalte Wasser tatsächlich zu einer vermehrten Ausschüttung von Glückshormonen führt, weiß ich nicht. Vielleicht ist der Körper einfach nur richtig froh, überlebt zu haben. Im Januar schwamm ich im Ladies Pond in Hampstead Heath in London. Dort schaut keiner komisch. Die Engländer haben eine große Toleranz gegenüber Spinnereien aller Art. Tatsächlich traf ich sogar auf eine Gruppe alter Damen, für die mein neues Hobby ein lange gepflegtes ist. Sie teilten Weisheiten und Faustregeln wie „One minute per degree“ (nicht länger als eine Minute pro Grad Wassertemperatur drin bleiben) mit mir. Vor drei Wochen schließlich habe ich die fast (Außentemperatur und Windchill waren noch gnädig) höchste Stufe erreicht: Ich tauchte in ein Loch im Eis. Es war etwas schwierig anschließend meine Kleider wieder anzuziehen, da die Finger steif waren. Aber sonst war es toll. Und das schönste an meinem neuen Hobby: Berlin ist der perfekte Ort dafür. Gewässer gibt es viele und lange genug kalt ist es auch.