In den letzten Wochen hat mich die Frage umgetrieben, ob ich unglücklich bin, wenn ich leide. Denn ich leide. Unter Schlaflosigkeit. Unter Anfällen von tiefer Traurigkeit.
Es sind einmal wieder nicht die Glücksbärchis, mit denen ich mich herumtreibe, sondern die dunklen Gesellen. Die, die mich um vier Uhr wecken und mit schlimmen Gedanken und Sorgen füttern, bis mir vor Angst die Zähne klappern und die Knie schlottern.
Als Kind dachte ich, dass es im Leben darum ginge, eine Art La La Land des Glücks zu finden. Lange Zeit ging ich davon aus, dass das Leben glücklich gedacht sei. Mein Mann erinnert mich heute noch kopfschüttelnd daran, dass ich ihn einmal gefragt habe: „Wenn das Leben nicht schön gedacht ist, wozu hat man es denn dann?“ Vielleicht war die Frage naiv, aber im Grunde frage ich mich immer noch: Wozu hat man es? Und was soll das ganze Leid und Unglück?
Und wenn ich doch so viel über Glück und gutes Leben weiß, über Yoga und Achtsamkeit, über Dankbarkeitstagebücher und Lächelmeditation – kann ich denn dann anders als mein eigens Leid als Versagen zu empfinden, für das ich mich schämen muss?
Antwort finde ich in einem großen weißen Haus in Bad Saarow. Im Sukhavati, wunderschön direkt am See gelegen. Im buddhistischen „Zentrum für Spiritual Care“ werden die tibetisch-buddhistischen Lehren, vor allem die Praktiken der Achtsamkeit und des Mitgefühls im Alltag angewendet, um Menschen in Krisensituationen Zuflucht zu bieten. Das können Schwerkranke und Strebende sein, Menschen, die Verluste erlitten haben oder solche wie ich, die einfach ein wenig Orientierung suchen. „Wir möchten einen Raum schaffen, in dem Menschen Zugang zu ihrem Inneren aufnehmen können, um dann selbst zu entscheiden, wie es weiter gehen soll“, erklärt Anja Matuszewski. Die gelernte Gynäkologin ist im Sukhavati für „spiritual care“, die spirituelle Begleitung zuständig.
Das Leid erklärt sie, gehört zu jedem Leben dazu und es ist keine Krankheit, auch wenn das in unserer Gesellschaft oft so gesehen wird. Wir sind gezwungen entweder ganz krank zu sein oder zu funktionieren, dazwischen gibt es nichts. „Aber es gibt Phasen des Übergangs, die möchten wir begleiten, da sind oft sie spirituellen Fragen angesprochen, Spiritual Care ist nichts Religiöses, es geht um die Grundbedürfnisse der Menschen: Toleranz, Liebe, Freiheit, Glauben .“ Und dann sagt sie einen Satz, den ich seither mit mir herumtrage wie einen kleinen Schatz: „Glück ist unabhängig davon, ob wir leiden oder nicht leiden.“
Dieser Gedanke hat etwas ungemein Erleichterndes. Denn wenn das so ist und für alle gilt, gibt es keinen Grund, sich falsch zu fühlen. Die Welt des Leids und die Welt des Glücks sind keine getrennten Welten. Wenn wir uns nur darauf konzentrieren, das Glück zu erlangen, betrachten wir das Leid als etwas, das wir ignorieren müssen, dem wir widerstehen müssen, als etwas, das unserem Glück im Weg steht. Wenn wir aber lernen, mit unserem Leid umzugehen, können wir es verändern oder es uns verändern lassen. In diesem Sinne besteht die Kunst des Glückslichseins in der Kunst richtig zu leiden.
Das muss ich jetzt nur noch meinen Dämonen-Freunden verständlich machen, wenn sie heute Nacht um vier wieder an der Bettkante stehen …
Das Sukhavati Center for Spiritual Care in Bad Saarow
Wer Einkehr und Besinnung ohne christlichen Hintergrund sucht, findet sie im im Mai 2016 eröffneten Sukhavati Zentrum in Bad Saarow. Im buddhistischen „Zentrum für Spiritual Care“ werden die tibetisch-buddhistischen Lehren, vor allem die Praktiken der Achtsamkeit und des Mitgefühls im Alltag angewendet, um Menschen in Krisensituationen Zuflucht zu bieten. Das Zentrum verdankt seine Entstehung einem anonymen Spender. Hier lebt eine buddhistische Gemeinschaft, es gibt eine Abteilung, in der schwer Kranke und Sterbende begleitet werden, regelmäßige Seminare und Veranstaltungen. Außerdem Zimmer und Apartments, die man für kurze oder längere Zeit mieten kann. Das Bistro, das sehr gutes vegetarisches Essen bietet, ist ebenso öffentlich zugänglich wie das tägliche Yoga- und Meditationsangebot.
http://www.sukhavati.eu