Tom Laterveer ist Happiness-Manager von Beruf. Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter seiner Klienten glücklich und zufrieden sind. Warum das wichtig ist und wie er das macht, erzählt er im Interview.
Tom empfängt in der Küche seiner Neuköllner Wohnung. Er serviert Christmastee, obwohl es erst Anfang November ist. Zwischen uns auf der Eckbank sitzt Toms braun-schwarz getigerte Katze Ludie, die das Gespräch interessiert verfolgt. Tom spricht abwechselnd Deutsch und Englisch – beides mit sympathischem holländischen Akzent.
Tom, Du bist von Beruf Happiness-Manager. Klingt super, was genau tust Du?
Als Happiness-Manager sorge ich dafür, das Potenzial der Mitarbeiter und der Gruppe zu fördern, damit das Unternehmen gedeihen kann. Ich kümmere mich nicht vorrangig um die Unternehmensziele – obwohl ich die immer im Auge habe – sondern schaue bei allem, was passiert darauf: was tut das mit Menschen und was tut das mit uns als Organisation. Glück ist dabei ein wichtiges Thema.
Inwiefern?
Ein glücklicher Mitarbeiter hat mehr Energie, er beeinflusst andere positiv, ist weniger krank, ist interessierter an den Zielen der Firma, ist in der Lage seinen eigenen Job so zu gestalten, dass er optimal funktioniert, übernimmt mehr Verantwortung, ist bis zu 300 Prozent innovativer. Und er ist kooperativer und eher bereit zu teilen, wenn es der Firma mal schlecht geht. Das ist alles wissenschaftlich erwiesen.
Wow. Genug Gründe sich um das Glück der Mitarbeiter zu kümmern!
Genau. Und da haben wir noch nicht einmal über den Schaden gesprochen, den unglückliche Mitarbeiter verursachen. Der ist nämlich enorm.
Und das Glück kann man managen?
Ich bin überzeugt davon, dass Glücklichsein eine Fertigkeit ist, die man lernen und fördern kann. Auch in Organisationen. Es gibt so viele Eigenschaften, von denen wir glauben, die hat man oder man hat sie nicht. Mitgefühl zum Beispiel. Das ist extrem wichtig für ein Unternehmen. In einem Unternehmen ohne Mitgefühl trauen sich Mitarbeiter nicht, Fehler zu machen und gehen daher kein Risiko ein, daher gibt es keine Innovation. Und Mitgefühl kann man trainieren. Das ist wie Volleyball – um so mehr man übt, desto besser wird man. Das gilt auch für die Fähigkeit, glücklich zu sein.
Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen einem glücklichen und unglücklichen Arbeitsumfeld?
Die Unterschiede liegen vor allem in der Kommunikation. Das Verhältnis von positiven, bestätigenden, lobenden Äußerungen zu Kritik ist ganz entscheidend, das wurde in Langzeitstudien nachgewiesen. Überwiegen in Meetings und Gesprächen die negativen Äußerungen, hat ein Unternehmen langfristig keine Chance. Dabei ist so etwas gar nicht so schwer zu verändern. Man kann beispielsweise jedes Meeting mit einer Wertschätzungsrunde verändern. Da gibt es kleine einfache Tricks. Das ist das Schöne an meiner Arbeit: ich brauche nicht so viel Ressourcen, ich brauche nur die Bereitwilligkeit der Firmenleitung, sich für eine wirklich neue Herangehensweise zu öffnen.
Und was tust du dann genau? Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Mein größter Klient ist ein holländisches Biotech-Unternehmen, das Behandlungsmethoden für seltene Erbkrankheiten entwickelt. Das meiste, das ich dort mache, ist Strategieentwicklung. Zusammen mit der Firmenleitung und dem Management erarbeite ich Strukturen, in denen alle glücklich und zufrieden sein können. Das fängt beim Recruitment an. Wir stellen Kriterien auf, nach denen wir neue Mitarbeiter aussuchen, wir achten dabei nicht nur auf den Lebenslauf, sondern auch auf Eigenschaften wie Freundlichkeit und Humor.
Außerdem bin ich an einem Programm für neue Mitarbeiter beteiligt. Ich mache mit denen Übungen, so dass sich alle besser kennen lernen und ein „Happier at Work“-Training basierend auf den Erkenntnissen der positiven Psychologie.
Was heißt das?
Es geht hier um einfache Techniken, mit denen man bei der Arbeit aber auch privat glücklicher wird.
Zum Beispiel?
Sehr effektiv ist die „What-works-well“-Übung, bei der es darum geht, sich bewusst zu machen, was gut läuft und das wertzuschätzen. Oder, wie schon erwähnt, Mitgefühl trainieren. Wenn man sich in Kollegen oder den Chef hineinversetzt, wird der Umgang oft leichter.
Was gehört noch zu Deinem Job?
Zurzeit entwickle ich eine Positive-Workplace Vision für 2016, die in allen Abteilungen umgesetzt werden soll.
Wie sieht die aus?
Wir möchten „positive Rebellion“ fördern. Die Idee basiert auf dem Konzept der „positive deviance“, das besagt, dass es in einer Gruppe von Menschen, die die gleichen Ressourcen haben, immer Leute gibt, die viel effektiver sind als andere. Und zwar, weil sie Sachen anders machen, auch auf die Gefahr hin, für verrückt gehalten zu werden. Solche Leute möchten wir zu Lehrern für die anderen machen.
Außerdem wollen wir Practitioner ausbilden, das heißt wir vermitteln ausgewählten Leuten die Fähigkeiten, bestimmte Prozesse zu belgleiten, also zum Beispiel dafür zu sorgen, dass man sich in Meetings auf positive Dinge konzentriert, Mitarbeiter ihre Stärken erkennen und für bestimmte Aufgaben vielfältige Lösungswege einbezogen werden.
Es läuft also darauf hinaus, weniger Vorgaben von oben zu machen, sondern mehr selbstverwaltete Prozesse anzustoßen?
Genau. Es wird immer komplexer, ein Unternehmen zu führen, und je komplexer es wird, desto weniger funktionieren die alt hergebrachten Strukturen, die auf Befehlen und Kontrollieren basieren. Immer noch kriegen Wirtschaftsstudenten gesagt: „Ihr müsst entscheiden, ihr wisst es besser.“ Aber das funktioniert einfach nicht mehr und in fünf Jahren wird es noch weniger funktionieren.
Warum wird dann so sehr daran festgehalten?
Die Vorstellung, dass man Menschen nicht vertrauen kann und sie kontrollieren muss, ist tief verankert in unserer Kultur. Aber es findet Veränderung in großem Stil statt. Erfolgreiche junge Unternehmen wie Zappos, Spotify oder Semco machen vor, wie es geht. Und andere ziehen nach. Die holländische ING-Bank zum Beispiel gerade ihre Struktur komplett verändert und die Arbeit in kleinen eigenverantwortlichen Teams organisiert.
Wächst das Bewusstsein dafür, dass das Glück der Mitarbeiter wichtig ist?
Interessanterweise sagt jede Organisation: „Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital“. Aber die Organisationen sind dennoch oft nicht so gestaltet, dass diese Mitarbeiter ihr Potenzial entfalten können. Wenn die Personalabteilung der Finanzabteilung untergeordnet ist oder die Finanzabteilung 25 Mitarbeiter hat und die Personal Abteilung nur drei ist der Anspruch nicht erfüllt.
Hier wird es eine weltweite Veränderung geben, weil die Forschung überdeutlich zeigt, dass das Engagement, das Glück und die Potenzialentfaltung von Mitarbeitern entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens sind.
Muss die Veränderung von den Chefs ausgehen?
Ja. Du bist nicht zu 100 Prozent abhängig von den Chefs, aber wie es so schön heißt: „People dont leave jobs, they leave bosses“. Firmenkultur wird in hohem Maße durch das Verhalten der Chefs geprägt. Wenn die Leader ungeduldig sind, herrscht eine Kultur der Ungeduld. Kultur ist ja nichts anderes, als das, was wir immer tun. Und die Kultur ist entscheidend. Wie es der amerikanische Unternehmensberater Peter Drucker auf den Punkt gebracht hat: „Culture eats strategy for breakfast.“
Was kann ich als Mitarbeiter tun, wenn die Kultur schlecht ist?
Man kann einiges tun, um seine Arbeit gut zu machen, aber wenn die Kultur giftig ist und man das nicht ändern kann, muss man gehen. Denn all die negativen Gedanken, die du dir bei deiner Arbeit machst, nimmst du auch mit nachhause, in dein Leben. Es gibt nicht so etwas wie Work-Life-Balance. Es gibt nur Life-Balance und Arbeit ist Teil davon. Es ist nicht so: Arbeit fertig, jetzt schalte ich mein Leben an.
Wie hast Du Deinen Beruf erlernt?
Ich habe als Trainer und Entertainer in einem Callcenter gearbeitet und später fünf Jahre kulturelle Events organisiert. Da habe ich gelernt, wie man mit relativ wenigen Ressourcen, aber mit der richtigen Arbeitskultur sehr schöne Sachen auf die Beine stellen kann. Ich habe viel gelesen über Effektivität und Management-Kultur und ich habe, egal welchen Job ich hatte, eigentlich immer die Rolle des Happiness-Managers übernommen. Ich bin einfach ein Verbesserer, ich mag es, wenn es besser und schöner wird.
Was macht dich persönlich glücklich?
Zu sehen, wie ich aus meiner Kraft heraus, aus dem, worin ich gut bin, wertvoll sein kann für meine Umgebung. Glücklich macht mich, Freunde zu haben und viel Zeit mit ihnen zu verbringen. Zu lernen, zu lesen, neue Sachen zu entdecken und anzuwenden. Glücklich macht mich freie Zeit. Und am glücklichsten macht mich mein optimistischer Outlook. Ich habe die Fähigkeit trainiert, tatsächlich zu genießen, das zu bemerken und zu schätzen.