Vom Knackarsch zur Erleuchtung

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Ich treffe Elena im Soho House. Kurz bevor die Sonne untergeht, färbt sie den Himmel über Berlin leuchtend rosa. Elena bestellt einen Matcha Latte mit Hafermilch. Als sie erfährt, dass die Hafermilch ausgegangen ist, nimmt sie einen normalen Cappuccino. Im Nachhinein betrachtet bringt diese Szene Elenas Lebenseinstellung ziemlich gut auf den Punkt, die sich etwa so zusammenfassen ließe: Das, was nicht zu ändern ist, zu akzeptieren, ist der Schlüssel zum Glück.

Elena, was ist Pro Age Yoga?
Es geht mir darum, das Verständnis von Yoga zu erweitern. Hier im Westen wird Yoga meist auf die körperlichen Übungen reduziert und es herrscht die Vorstellung, dass man jung, fit und beweglich sein muss, um Yoga zu üben. Mit diesem sehr leistungsorientierten Konzept möchte ich aufräumen – zu sagen, man sei zu steif für Yoga, ist, als ob man sagt, man sei zu schmutzig, um sich zu waschen.

Hast du ein Problem damit, wenn Frauen zum Yoga gehen, um etwas für ihre Figur zu tun?
Ich sage immer: Mir ist es total egal, warum jemand Yoga macht. Du willst einen knackigen Arsch? Auch gut! Es bleibt immer etwas hängen. Und manch eine ist schon vom Knackarsch zur Erleuchtung gekommen.

Wie sollte man deiner Meinung nach – insbesondere mit zunehmendem Alter – Yoga verstehen und üben?
Es geht im Yoga hauptsächlich darum, mit dem eigenen Geist zu arbeiten, ihn zu trainieren, zu innerem und äußeren Frieden zu kommen. Das hat mehr mit geistiger als mit körperlicher Beweglichkeit zu tun.

Dennoch enthält dein Buch Empfehlungen für unterschiedliche Yogasequenzen.
Asanas brauchen wir auch. Gerade mit zunehmendem Alter ist es wichtig, regelmäßig etwas für Beweglichkeit und Kraft zu tun. Dafür ist Yoga sehr gut geeignet. Aber man sollte die Übungen dem eigenen Körper und seinen Möglichkeiten anpassen.

Bilder in Yogamagazinen und auf Yoga-Blogs scheinen da etwas anderes zu vorzugeben.
Ja, das ist problematisch. Man sieht eigentlich ständig sexy junge Frauen, die sich an irgendwelchen Beaches verbiegen. Wir brauchen dringend andere Bilder und Vorgaben.

Dennoch bist auch du in deinem Buch in einer anspruchsvollen Pose am Strand zu sehen. Du bist kürzlich 50 geworden, siehst aber ausgesprochen knackig und jugendlich aus. Denkst du nicht, dass du mit deinen Bildern auch Druck ausübst?
Ich habe Reaktionen bekommen, die das vermuten lassen. „Du hast eben gute Gene, Du hast leicht reden“. Ganz so einfach ist es aber nicht. Ich habe mich mein Leben lang sehr gesund ernährt – meine Mutter war Ernährungsberaterin – ich praktiziere seit 30 Jahren Yoga und Meditation, außerdem habe ich mich wegen meiner sehr hellen Haut nie in die Sonne gelegt – all das zahlt sich jetzt aus.

Foto: Franz Lustig

Auf jeden Fall alterst du gut …
Mag sein. Aber ich altere vor allem deshalb gut, weil es mir gelingt, gelassen mit dem umzugehen, was ohnehin passiert. Ich bin seit 20 Jahren Buddhistin. Eine der wichtigsten Übungen des Buddhismus ist, anzunehmen, was ist. Leid ist immer die Differenz zwischen dem, was ist und dem, was ich gerne hätte. Wenn man sich das klarmacht, stellt man fest, wie hausgemacht viele Probleme sind.

Fällt es dir denn tatsächlich gar nicht schwer, mit dem Altern klar zu kommen?
Ich kann recht entspannt mit meiner eigenen Vergänglichkeit umgehen. Deshalb ist es mir auch ein großes Anliegen, anderen dabei zu helfen – mit dem Buch, Workshops und Online-Trainings, die ich konzipiert habe.

Stichwort Vergänglichkeit – es geht in deinem Buch auch um Tod und Streben. Auch um das Streben deiner Mutter, das du begleitet hast. Glaubst du, dass die Beschäftigung mit dem Tod dabei hilft, gelassen älter zu werden?
Man kann das natürlich auch verdrängen, aber ich glaube, dass das nichts leichter macht. Wir leben ständig mit Wünschen, Hoffnungen und Träumen, aber das einzige, worauf wir uns wirklich verlassen können ist, dass wir sterben werden. Ich persönlich bin ein Fan davon, mich auf das vorzubereiten, was mir bevorsteht. Außerdem war es das Thema Sterben, dass mich zum Buddhismus gebracht hat.

Dessen Weisheit du als Grundlage für glückliches Altern empfiehlst.
Interessanterweise decken sich die buddhistischen Ansätze mit wissenschaftlicher Forschung zum Thema Neuroplastizität, also der Formbarkeit unseres Gehirns. Wir entscheiden selbst darüber, welche Verbindungen wir in unserem Gehirn ausbauen. Wir können also bewusst ein positives Mindset ausbauen. Das möchte ich auch mit dem Begriff „Pro Aging“ verdeutlichen. Überall ist von „Anti Aging“ die Rede, was ja ein völlig absurder Begriff ist. Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten und wie wir bestimmte Tatsachen bewerten, liegt an uns.

In unserer Gesellschaft wird das Altern – insbesondere von Frauen – nicht gerade positiv gewertet.
Aber möchtest du wirklich noch mal 20 sein?

Nicht wirklich.
Eben. Frauen ab Mitte 40 haben doch etwas total anderes zu bieten als junge Frauen. Erfahrung, gelebtes Leben. Meist fühlen sie sich selbstbewusster und wohler. Dennoch sind wir die ersten, die uns selbst abwerten, weil wir immer noch denken, Jungsein ist die einzige Währung, die zählt.

Woran liegt das?
Ich denke, das hat viel mit den Machtverhältnissen in unserer Gesellschaft zu tun. So lange Frauen nicht autark sind und ihre Jugend und Schönheit einsetzen, um über Männer an Macht und Geld teilzuhaben, so lange ist es ein Problem, wenn Frauen älter werden.

Aber auch mächtige autarke Frauen haben offenbar ein Problem mit dem Älterwerden, schau Dir zum Beispiel Madonna an.
Ja, das ist total schade. Gerade Madonna, die immer alle Konventionen gebrochen hat! Aber sie hat das immer auf der Sex-Ebene getan und kommt von der Nummer nicht mehr runter. Aber es gibt auch andere Beispiele. Vivienne Westwood – saucoole Frau!

In deinem Plädoyer für gelassenes Älterwerden stecken durchaus auch einige feministische Anliegen.
Ja. Ich beobachte an mir, dass ich mit zunehmendem Alter immer mehr auf Kravall gebürstet bin, was Frauenthemen angeht.

Was sich ja auch biologisch erklären lässt: Mit sinkendem Östrogenspiegel sind Frauen weniger um Harmonie bemüht, werden aufsässiger.
Ja, das ist interessant. Es ist wichtig, dass wir uns, wenn wir älter werden, bewusst machen, was wir vorleben, wie wir Jüngere inspirieren.

In diesem Sinne hast du auch ein Kapitel über Botox in dein Buch aufgenommen, einen dringenden Appell: Lasst es! Warum ist dir das so wichtig?
Ich finde, dass jede Frau, die Botox verwendet, den Druck auf andere Frauen erhöht, es auch zu tun. Wir sollten alle dazu beitragen, dass es normal ist, ein alterndes Gesicht zu haben.

Aber ist Botox denn so anders als Haare färben? Das ist für viele normal und kaum einer hat etwas dagegen.
Aber Botox ist ein krasses Nervengift! Und es beseitigt den Ausdruck von Gefühlen, vor allen von solchen, die als negativ bewertet werden. Als Autorin eines Chakra-Yoga-Buches möchte ich auch mal anmerken, dass es schon irgendwie bedenklich ist, sich lähmendes Gift in sein Stirnchakra, das Zentrum visionärer Kraft, zu spritzen.

Ich finde die Diskussion um Botox und Schönheitsoperationen manchmal ein bisschen problematisch, so als würde der feministische Anspruch auf Selbstbestimmung nur für die Frauen gelten, die jeden Eingriff verweigern.
Die Frage, die man sich meiner Meinung nach immer stellen muss, ist: Was würde ich tun, wenn ich nur von Frauen umgeben wäre? Oder auf einer einsamen Insel leben würde? Meist kommt dann doch heraus, dass du es machst, um von Männern mehr gesehen zu werden.

Du plädierst also für ein anderes Körperbild?
Der Körper, den wir jetzt haben, ist unser Gefäß, unser Instrument, mit dem wir uns austauschen und mit anderen verbinden. Wir werden in diesem Leben keinen anderen bekommen. Wenn wir an Wiedergeburt glauben, bekommen wir vielleicht noch mal einen, aber auch der wird wohl in irgendeiner Weise dem gängigen Schönheitsideal widersprechen. Wer sind wir, dass wir ihn unser ganzes Leben abstrafen, obwohl er einen hervorragenden Job macht? Ich finde, wir sollten Yoga dafür nutzen, uns mit uns selbst zu versöhnen.

Was macht dich glücklich?
Mit Menschen zusammen zu sein, die ich liebe und mit meinem Mann und meinem Sohn zu reisen! Das macht mich glücklich!

http://www.elenalustigyoga.com

Portrait: Maria Schiffer

 

 

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