In den letzten 90 Tagen ist mir mehr und mehr klar geworden, dass ich mein Leben ohne Alkohol lieber mag – auch wenn das nüchtern bleiben nicht immer leicht ist. Langsam ist es tatsächlich vorstellbar mir (und anderen) zu sagen: „Ich trinke keinen Alkohol.“ Im Alltag hat das Verlangen deutlich nachgelassen, ich brauche auch nicht mehr jeden Abend Ersatz, sondern bin meist zufrieden mit Tee oder Wasser. Wie tief allerdings die Gewohnheit sitzt, Anspannung mit Alkohol zu lindern, wird mit an einem Abend im Dezember bewusst, an dem meine Kinder mit Partnern zum Essen kommen. Bei der Vorbereitung des Essens überkommt mich ein so starker Wunsch nach einem Glas Wein, dass ich mir – obwohl ich zu diesem Zeitpunkt bereits über 120 Tage nüchtern geblieben bin – eines eingieße. Ich nehme einen Schluck und stelle fest, dass sich das erwartete Wohlgefühl nicht einstellt und mir der Wein auch gar nicht schmeckt. Der Abend wird furchtbar – und im Nachhinein wird mir klar, dass ich das geahnt habe und aus Angst davor unbedingt trinken wollte.